Prof. Dr. Wolf Müller-Rostin, ehemaliger Leiter der Rechtsabteilung
Zeitzeugeninterview

Prof. Dr. Müller-Rostin, von wann bis wann haben Sie bei Delvag gearbeitet und wie sah Ihr Karriereweg bei uns aus?

Ich habe 1977 in der Rechtsabteilung der Lufthansa angefangen zu arbeiten. 1981 wurde ich gefragt, ob ich die erste eigene Rechtsabteilung der Delvag aufbauen wollen würde. Delvag war damals eines von drei Tochterunternehmen der Lufthansa neben Condor und LSG. Alle rechtlichen Angelegenheiten dieser Töchter wurden zuvor von der Rechtsabteilung der Lufthansa bearbeitet. 

Prof. Dr. Wolf Müller-Rostin

Wie spezialisiert man sich auf den besonderen Rechtsbereich „Luftfahrt“?

Als Student habe ich Geld verdient, indem ich als Schlafwagenschaffner für die Bundesbahn arbeitete. Drei Monate meiner Referendarzeit, die jeder Jurist absolvieren muss, habe ich dann in der Rechtsabteilung der Lufthansa verbracht. Denn nachdem ich einen Verkehrsträger - die Bahn - bereits kannte, wollte ich noch einen anderen – die Lufthansa - kennenlernen.

Nach meiner Referendarzeit wusste ich schon, dass ich nach meinem Examen gerne zur Lufthansa zurückkehren wollte. Als ich anfing, meine Doktorarbeit zu schreiben, kam man auf diesen Wunsch zurück.

Nun musste ich mich natürlich in das Luftfahrtrecht einarbeiten, denn im Studium kam das Fach so gut wie gar nicht vor. Deshalb befasste ich mich dann auch schon bei meiner Doktorarbeit zumindest zum Teil mit dem Luftfahrtrecht. Das nötige Wissen eignete ich mir bei der täglichen Arbeit, im Selbststudium zuhause oder auf Konferenzen an - eben „learning by doing“. Bald war ich auch in der Lage, auf diesen Konferenzen selbst Vorträge zu halten.

 

Was waren Ihre täglichen Aufgaben bei uns?

Die Gründung der Delvag Tochtergesellschaften Albatros und Delvag Rück waren gerade am Anfang zwei große Arbeitsfelder. Darüber hinaus war es meine tägliche Aufgabe, Schadenfälle zu begutachten und zu regulieren. Nach und nach kam ein größerer Kreis weiterer fachkundiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Bereich hinzu. Die rechtlichen Themen, mit denen wir uns befassten, reichten von Personen- und Frachtschadenfällen, über Luftfahrzeug-Kaskofälle und transportversicherungsrechtliche Fälle bis hin zu weiteren juristischen Themen. Darüber hinaus beriet ich unseren Vorstand in allen rechtlichen Angelegenheiten und war jahrelang Schriftführer bei den Aufsichtsratssitzungen. 

 

Was war das Besondere an Ihrer Arbeit?

Das Besondere an der Arbeit war die internationale Ausrichtung, denn Flugverkehr ist nun mal internationaler Verkehr und Schäden geschehen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. So hatte ich Kontakt zu vielen interessanten Menschen aus der ganzen Welt - vornehmlich Juristen. Das war sicherlich eine Bereicherung des täglichen Arbeitslebens.

 

Gibt es besondere Erlebnisse, von denen Sie erzählen möchten?

Ich denke immer gerne an die zahlreichen netten Kolleginnen und Kollegen zurück, mit denen ich sehr gerne zusammengearbeitet habe. Nach meiner Pensionierung war es zunächst schwierig, nicht mehr täglich mit diesen Menschen zu arbeiten. Die Kollegialität und der freundliche Umgang miteinander innerhalb der Delvag Gruppe waren stets wohltuend. Man hatte nie das Empfinden, gegen eine Wand zu laufen. Ich habe mich persönlich immer sehr wohl gefühlt, egal ob in meiner Abteilung, im Kreis der Abteilungsleiter (damals alles nur Männer) oder auch mit dem Vorstand. Man ist gut miteinander ausgekommen und konnte gemeinsam diskutieren. Eine rundum positive Erfahrung. 

 

Was macht den Bereich des Luftfahrtrechts für Sie so spannend? 

Dass es international angelegt ist. Luftfahrt ist grenzübergreifend und hierbei überschreitet sie nicht nur die europäischen Grenzen, sondern weltweite. Es ist ein faszinierendes Fachgebiet, weil man mit unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen zu tun hat und mit ebenso unterschiedlichen Denkweisen und Einstellungen.  
Als Luftfahrtrechtler hatte ich mit Menschen aus ganz anderen Weltgegenden zu tun. Das hat mich Zeit meines Arbeitslebens fasziniert. Auch heute bin ich noch begeisterter Luftrechtler und finde die Materie als solche höchst anregend und erfüllend. 

 

Was sind für Sie die wichtigsten Gesetzgebungen oder Regelungen, mit denen Sie sich beschäftigten?

Ein Gesetzestext, der nahezu weltweit anwendbar ist und der von etwa 135 Staaten ratifiziert wurde, ist das Haftungsübereinkommen des „Montrealer Übereinkommens“ von 1999. Wir alle begeben uns, wenn wir fliegen, in den Schutz dieses Übereinkommens. Durch dessen Anwendung wissen Passagiere und Luftverkehrsgesellschaft, wie die Haftung geregelt ist. Das ist eigentlich das wesentliche Handwerkszeug für Jurist:innen im Bereich der Personen- und Frachtbeförderung in der Luftfahrt. Daneben gibt es noch die Fluggastrechte-Verordnung.

 

Sie sind Berater und Dozent. Sehen Sie denn Veränderungen im Luftfahrtbereich für die Zukunft?

Ich habe noch ein paar kleinere Beratungsaufträge und habe zudem noch Lehraufträge im In- und Ausland; es macht mir immer noch Spaß. Diese Tätigkeiten sind auch insofern interessant, weil man dabei zusieht, wie sich der Luftverkehr und damit auch das Luftverkehrsrecht verändern. Natürlich ist der Luftverkehr nicht mehr so wie vor 50 Jahren und heute gibt es sehr viel Neues, für das rechtliche Regeln geschaffen werden müssen. So zum Beispiel für Drohnen, die als Luftfahrzeuge gelten. Und im nächsten Schritt dann für suborbitale oder gar kommerzielle Flüge zum Mond, bei denen man sich fragen muss, ob sie noch zum Luftverkehr gehören und somit dem Luftverkehrsrecht unterliegen oder nicht. Derartige Themen wissenschaftlich zu begleiten, ist auch heute noch eine interessante und reizvolle Aufgabe. 

 

Möchten Sie der Delvag zum Jubiläum noch etwas wünschen?

Zunächst einmal finde ich es eine fantastische Leistung, dass Delvag in diesem Jahr 100 wird. Das zeugt nicht nur von Beständigkeit, sondern auch von Wert und Wertschätzung der Firma und ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Denn nicht jedes Unternehmen wird heutzutage noch so alt.

Allen Mitarbeitenden wünsche ich, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie auf diesem speziellen Gebiet haben, auch weiterhin anerkannt und wertgeschätzt werden und dass Delvag noch weitere 100 Jahre erfolgreich sein wird. 

 

Vielen Dank Herr Prof. Dr. Müller-Rostin für Ihre Zeit und das spannende Interview.
 

 

Das Interview wurde geführt von Tamara Gmelin, Corporate Communications.