Meet our experts: René Schmalen // Claims Management
René Schmalen, Director Claims Management bei Delvag, erklärt im Interview, wie Innovationen und Digitalisierung Einzug ins Schadenmanagement halten und erzählt von spannenden und manchmal auch kuriosen Fällen aus seinem Arbeitsalltag.
Interview / 13.04.2023
René, bitte gib uns doch erstmal einen Überblick über die Kunden und Risiken, die bei Delvag versichert werden.
Im Prinzip bieten wir im Luftfahrt- und Transportbereich fast alles an, was es gibt: Kasko-, Haftpflicht-, Unfallversicherungen und vieles mehr. Im Luftfahrtbereich versichern wir unter anderem Airlines, Business Aviation-, aber auch General Aviation-Kunden – also zum Beispiel Flugschulen, Vereine, private Flugzeugbesitzer oder Zulieferer von Flugzeugherstellern. Im Bereich der Personenversicherung bieten wir außerdem eine spezielle „Berufsunfähigkeitsversicherung“ für fliegendes Personal an. Im Transportbereich gehören darüber hinaus Spediteure, Juweliere, Diamantenhändler und Unternehmen für Geldwerttransporte zu unseren Kund:innen.
Du bist nun schon seit 17 Jahren im Unternehmen. Wie haben sich die Prozesse im Schadenbereich seitdem verändert und wie beeinflussen Innovationen deine Arbeit?
Die Arbeit im Schadenbereich hat sich, seitdem ich hier 2005 angefangen habe, sehr verändert. Früher wurden beispielsweise noch alle Regresse in Papierform verschickt – selbst wenn der Anspruchsgegner in Brasilien saß. Es konnte dann schon einmal einige Wochen dauern, bis uns eine Erwiderung erreicht hat. Heute sind alle Akten digitalisiert und nur die allerwenigsten Kunden schicken noch physische Dokumente. Aber auch die scannen wir ein und bearbeiten sie elektronisch weiter. Für die Klassifikation aller Schadendokumente setzen wir schon bald auch auf den Einsatz einer KI, die in wenigen Wochen live gehen soll. Erstmal starten wir dann mit einer geringen Anzahl von Dokumententypen, wollen das aber schnell ausbauen. Das Programm wird unsere Kolleg:innen stark von Routineaufgaben entlasten und Ihnen noch mehr Zeit für die Betreuung unserer Kund:innen geben.
Wie genau wird diese KI deine Abteilung zukünftig unterstützen?
Unsere Schadenmeldungen sind schwer zu digitalisieren. Das liegt daran, dass die Prozesse unserer internationalen Kund:innen und die Schäden, die sie melden, sehr individuell sind. Im Zweifelsfall sieht jede Schadenmeldung, die uns erreicht anders aus. Die KI, die wir nutzen werden, sortiert die Eingangspost nach Dokumenttypen, beispielsweise nach „Neuschadenmeldung“, „Flugzeug-Kasko-Rechnung“ oder „Anwaltsrechnung“ und ordnet sie vorhandenen oder neuen Schadenfällen zu. Im Idealfall überträgt das Programm die extrahierten Daten dann auch schon automatisch in unsere Systeme und Workflows.
Haben neue Technologien noch in anderer Hinsicht Einfluss auf die Arbeit im Schadenbereich?
Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem Technologien überhaupt sehr schnell voranschreiten. Flugzeuge, beispielsweise, sind heute längst nicht mehr nur aus Metall, sondern auch aus Verbundwerkstoffen gefertigt. Deshalb benötigen wir inzwischen andere Methoden, um Schäden zu erkennen und zu analysieren und die Reparaturkosten zu berechnen. Und auch die Schadbilder selbst sind heute anders, da sich die Verbundwerkstoffe anders verhalten als Metall.
In der Schadenregulierung gibt es außerdem erste Ansätze, Drohnen zu nutzen, um Schäden zu untersuchen. Bisher ist das noch nicht so ausgeprägt, auch weil unsere Kunden den persönlichen Kontakt vor Ort schätzen. Aber die luftfahrttechnischen Betriebe arbeiten schon daran, auch mit Drohnenschwärmen Flugzeuge abzufliegen, um Dellen zu analysieren – bei Hagelschäden zum Beispiel.
Gibt es Fälle, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Im letzten Jahr hatten wir einen Schaden, der kürzlich sogar bei der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ gesendet wurde. Das Lager eines unserer Kunden, einem Transportdienstleister für Werttransporte, wurde überfallen. Innerhalb von nur zwei Minuten wurden Schmuck und Edelmetalle entwendet. Dabei wurde glücklicherweise niemand verletzt, aber das Gebäude wurde massiv beschädigt. Der gesamte Schaden liegt im siebenstelligen Bereich. Das Besondere in diesem Schadenfall ist, dass die Staatsanwaltschaft eine Öffentlichkeitsfahndung macht, um die Täter zu fassen.
Neben der Ergreifung der Täter ist es für uns als Versicherer aber natürlich noch wichtiger, dass die Beute wiedergefunden wird, um den Schaden zu verringern. Leider wird bei solchen Überfällen das Diebesgut häufig sehr schnell zu Geld gemacht. Edelmetalle werden eingeschmolzen. Manchmal haben wir aber auch Glück. Dann meldet sich die Polizei bei uns. Wenn wir unseren Kunden schon entschädigt haben, gehen die gefundenen Gegenstände in unser Eigentum über. Diese lassen wir dann begutachten und schätzen und verkaufen oder versteigern sie anschließend. Für uns persönlich ist das auch sehr spannend: Je nach Wert der Ware fahren die Kolleg:innen aus meiner Abteilung selbst zur Polizei und holen dann auch mal ein Tütchen Diamanten oder eine wertvolle Uhr ab. Das ist allerdings selten.
Begegnen euch bei eurer Arbeit auch mal kuriose Fälle?
Ja, die gibt es. Einmal war beispielsweise der Besitzer einer Straußenfarm der Geschädigte: Wir versichern nicht nur Flugzeuge, sondern alle Arten von Luftfahrzeugen. Dazu zählen auch Ballone. Da diese nur begrenzt steuerbar sind, treibt der Wind sie manchmal ab und sie müssen irgendwo, möglichst auf einer Freifläche, landen. In einem unserer Versicherungsfälle ist ein Ballon zu nah über eine Straußenfarm gefahren. Da Strauße sehr empfindliche Tiere zu sein scheinen, haben sie in der Folge mehrere Tage oder sogar Wochen lang weniger Eier gelegt. Straußeneier sind sehr teuer – Preise von über 30 Euro pro Stück sind keine Seltenheit. Daher hat der Landwirt, dem die Tiere gehören, den Schaden bei uns geltend gemacht.
Deine Arbeit klingt sehr abwechslungsreich. Gibt es noch mehr Gründe, warum du gerne bei Delvag arbeitest?
Die Delvag ist für mich kein normaler Versicherer. Unsere direkte Anbindung an einen Luftfahrtkonzern ist in Deutschland einmalig und weltweit sehr selten. Bei uns hat man den Spirit einer Airline mit Versicherungs-Background. Dadurch sind wir ganz nah an unseren Kunden, kennen uns mit ihren Geschäftsmodellen gut aus und identifizieren uns stark mit den Fällen. Denn das hier ist kein reiner Schreibtischjob: Unsere Arbeit ist oft sehr praxisorientiert. Wir können mit unseren Kolleg:innen der Lufthansa Group beispielsweise auch mal selbst aufs Vorfeld gehen und ein Abfertigungsverfahren sehen, oder uns bei Lufthansa Technik anschauen, wie ein Triebwerk auseinander genommen und repariert wird. Unsere Azubis nehmen darüber hinaus auch an Luftfrachtschulungen bei Lufthansa Cargo teil.
Aber auch unsere Unternehmenskultur ist für mich ein Grund, warum ich gerne hier arbeite: Wir sind ein kleiner Versicherer, haben aber sehr moderne Arbeitsweisen und viele digitalisierte Prozesse. Auch die gute Arbeitsatmosphäre ist mir wichtig. Hier haben die Mitarbeitenden einen großen Spielraum für eigene Entscheidungen. Denn wir vertrauen in die Expertise unserer Kolleg:innen.
All das macht unseren Job einmalig in der Luftfahrtwelt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Über René Schmalen
René Schmalen war von 2005 bis 2023 im Schadenbereich der Delvag tätig. Als ehemaliger Banker mit abgeschlossenem Wirtschaftsrecht-Studium stellt er gemeinsam mit seinem 20-köpfigen Team eine kundenorientierte, wirtschaftliche und ordnungsgemäße Schadenregulierung sicher. Es ist ihm wichtig, die Weiterentwicklung des Bereichs mit dem Einsatz moderner Technologien und der Förderung und Weiterbildung von Mitarbeitenden voranzutreiben. René interessiert sich sehr für andere Kulturen und geht gerne auf Reisen. Mal macht er einen spontanen Wochenendtrip, mal einen längeren Urlaub in fernen Ländern. Gemeinsam mit einer Kollegin verfolgt er die Challenge, wer zuerst alle europäischen Hauptstädte besucht hat. Außerdem hat er vor einiger Zeit das Tauchen für sich entdeckt und fährt gerne Ski.
Von Inga Stöver
Unternehmenskommunikation Delvag
kommunikation@delvag.de