Meet our experts: Dennis Heinen // General Aviation

Dennis Heinen, Underwriter Luftfahrtversicherung, spricht in unserem Experten-Interview über die Situation in der General Aviation, das Versichern von Kleinflugzeugen, Sicherheit und Prämien sowie den Markt im Zeichen der Corona-Pandemie.

Interview // 02.06.2021

In unserer Serie „Meet our experts“ stellen wir Ihnen regelmäßig unsere Expert:innen aus allen Bereichen der Delvag Gruppe vor. Dieses Mal: Dennis Heinen, Aviation Underwriter und Referent im Bereich Luftfahrt. Im Interview spricht er über die Situation in der General Aviation, das Versichern von Kleinflugzeugen, Sicherheit und Prämien sowie den Markt im Zeichen der Corona-Pandemie.

In der jüngsten Vergangenheit haben Unfälle mit Kleinflugzeugen leider öfters Schlagzeilen gemacht. Wie beurteilen Sie die Sicherheit in Bereich der allgemeinen Luftfahrt?
Wir beobachten in den letzten Jahren nicht mehr Unfälle als früher. Wir machen eher die Erfahrung, dass die mediale Berichterstattung deutlich zugenommen hat. Das gilt vor allem für tragische Unfälle, wie z. B. dem Ju 52-Absturz in der Schweiz vor rund drei Jahren. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass es mehr Unfälle gibt. Im Schnitt sind die Unfallraten in den letzten Jahren gesunken. Die technische Weitentwicklung nimmt stetig zu und führt zu mehr Sicherheit. Das gilt nicht nur für die großen Jets, sondern auch für die Kleinaviatik. Auch hier werden die Flugzeuge immer moderner und besser ausgerüstet, was die Sicherheit sukzessive erhöht.

Unfälle führen oft auch zu mehr Regeln. Bedeuten mehr Regularien automatisch mehr Sicherheit?
Wir sind der Meinung, dass die Luftfahrt durch Regularien zwar nicht automatisch sicherer wird. Aber die Regulatorik trägt natürlich dazu bei, dass Standards etabliert werden, die ein immer höheres Level an Sicherheit gewährleisten. Diese werden immer weiterentwickelt, häufig auch in Konsequenz von Unfällen. Denn egal ob wir uns im Airline-Bereich oder in der Kleinaviatik bewegen: Es werden immer Rückschlüsse gezogen, um zukünftig Unfälle zu vermeiden. Natürlich spielt bei allem technischen Fortschritt auch die menschliche Komponente eine große Rolle. Denn am Schluss sitzt immer noch ein Mensch hinter dem Steuerhorn.

Sehen Sie zukünftig ein erhöhtes Risiko?
Natürlich wird die Fliegerei der Zukunft durch moderne Technik immer sicherer werden. Nichtsdestotrotz ist es so, dass wir Piloten immer empfehlen, sich auf jeden Flug gründlich vorzubereiten. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, wie erfahren ein Pilot ist oder wie viele Flugstunden er hat. Denn nach längerer Flugpause oder bei einem unbekannten Flugzeugtyp kann es selbst für erfahrene Piloten sinnvoll sein, die ein oder andere Flugstunde mit Fluglehrer oder Safety-Pilot zu absolvieren. Dabei sollte ein besonderer Fokus auf die kritischen Flugphasen wie dem Start und der Landung gelegt werden. Hier ist es besonders wichtig, seinen Flieger aus dem Effeff zu kennen und hier passieren bekanntlich die meisten Unfälle.  Zu viel Routine sollte jedoch auch nicht einkehren, denn in der Luftfahrt ist es immer gefährlich, wenn sich Piloten zu sicher fühlen.

Aktuell sehen wir ein gewisses Risiko, dass auch Piloten sich nach dem Ende der Pandemie erst einmal wieder an ein hohes Flugaufkommen gewöhnen müssen. Im Moment sind die Flugräume nach wie vor leider ziemlich leer, was entsprechend viel Platz für die Kleinaviatik bedeutet. Das wird sich hoffentlich bald wieder ändern und die Privatpiloten müssen, insbesondere rund um die großen Airports, wieder mehr Rücksicht auf die großen Flieger nehmen.

-Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass es zukünftig durch den Klimawandel zu immer stärkeren Extremwetterereignissen kommt, die auch immer schlechter absehbar sind und entsprechend hohes Gefahrenpotenzial bieten. Denn vor allem in der Kleinaviatik ist das Flugwetter existenziell Das Risiko besteht dabei nicht nur im Fliegen. Aktuell stehen viele Flugzeuge am Boden, was aus unserer Sicht hohe Kumulrisiken bei extremen Wetterereignissen, wie beispielsweise Hagelstürmen, bedeutet.

Wie schwer ist es heutzutage ein Kleinflugzeug zu versichern?
Grundsätzlich nicht schwer, aber den richtigen Partner dafür zu finden kann schwierig sein. Daher empfehlen wir unseren Kunden, sich im Zweifel immer an einen spezialisierten Luftfahrtmakler oder direkt an uns zu wenden. Vertrauen ist aus unserer Sicht ein sehr wichtiger Punkt. Wir stellen immer wieder fest, wie gut die Piloten-Community untereinander vernetzt ist und hören von unseren Kunden – egal ob Makler oder Direktkunde – immer wieder, dass sie sich Referenzen einholen, wo gute Erfahrungen hinsichtlich der Versicherung von Flugzeugen gemacht wurden. Da kommt es häufig auch vor, dass sich Piloten direkt an uns wenden. Denn wir garantieren langjährige Erfahrung und fast ein Jahrhundert Expertise in der Luftfahrtversicherung. Unsere Kunden profitieren dabei nicht nur von unserem Know-how, sondern auch von unserem Netzwerk in der gesamten Branche, was wir als Captive-Versicherer der Lufthansa Group aufgebaut haben.

Wie sehen Sie aktuell den Markt im GenAv-Bereich insgesamt?
Grundsätzlich beobachten wir, dass sich im gesamten Markt – also national und international - große Teilnehmer zurückziehen oder aus bestimmten Marktsegmenten aussteigen. Wir führen das auch auf den Prämienverfall zurück, welcher von vielen Versicherern betrieben, aber auch durch einige Maklerin den vergangenen Jahren getrieben wurde. Dieses hat sich letzten Endes nicht rentiert und die Prämien waren zum Schluss nicht mehr auskömmlich. Der Rückzug einiger Teilnehmer ist für uns natürlich auch eine Chance, in unseren Märkten weiter zu wachsen und diese wollen wir auch nutzen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass wir für unsere Kunden ein verlässlicher Partner sein wollen und deshalb das Prämiendumping nicht in dem Maße mitgetragen haben, wie es andere getan haben. Wenn Prämien aus unserer Sicht nicht risikogerecht sind, zeichnen wir nicht. Wir tun das aus Überzeugung und alles andere wäre auch nicht im Sinne unserer Versichertengemeinschaft. Denn in letzter Konsequenz führen nicht auskömmliche Prämien zu Bestandssanierungen zulasten aller Versicherten, was es  aus unserer Sicht zu vermeiden gilt.  

Auch die großen Schäden, die sich in den letzten Jahren im Airline-Bereich ereignet haben – allen voran die Abstürze der Boeing 737 MAX – haben einen Einfluss auf den GenAv-Markt, da die Versicherungskapazitäten im internationalen Rückversicherungsgeschäft zusammenlaufen. Das ist für viele Kunden nicht ersichtlich und bedarf verständlicherweise der ein oder anderen Erklärung.

Mit weniger Anbietern steigen dann theoretisch die Preise. Wie sieht das bei Delvag aus?
Das ist so, das muss man einfach so sagen. Nach vielen Jahren der rückläufigen Marktentwicklung zieht der Markt wieder an und verhärtet sich weiter spürbar. Insbesondere in diesen Zeiten schätzen unsere Kunden Kontinuität und eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Während andere Versicherer mit pauschalen und teilweise drastischen Prämienerhöhungen versuchen, ihre Bestände im Gießkannenprinzip zu sanieren oder auch zu kündigen, sind wir unserer Linie und unseren Prämien grundsätzlich treu geblieben. Wir sehen uns nicht nur als Versicherer, sondern auch als langjährigen Partner für unsere Kunden. Das unterscheidet uns von vielen anderen Marktteilnehmern. 

Welche Auswirkungen hat die Corona Pandemie auf den GenAv-Markt?
Besonders stark wurden natürlich die Fluggesellschaften von der Pandemie getroffen. Aber auch Vereine und Flugschulen mussten ihren Betrieb vorübergehend ruhen lassen und hatten bzw. haben mit starken Einbußen zu kämpfen. Wir sind in diesem Kontext als erster Versicherer im GenAV-Markt mit umfassenden und unbürokratischen Kulanzregelungen auf unsere Kunden zugekommen. Auch hier spielt das Thema Vertrauen und langjährige Partnerschaft aus unserer Sicht eine große Rolle. Als Teil der Lufthansa Group sitzen wir alle im gleichen Boot – egal ob groß oder klein. Hier zählt für uns der Solidaritätsgedanke und schnelle Hilfe.

Generell hat die Branche sicherlich einen harten Dämpfer erlebt. Das lässt sich auch anhand der Auslieferungszahlen von Flugzeugen und Helikoptern gut nachvollziehen. Diese sind in 2020 um mehr als 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Wir sehen aber auch Chancen für die General Aviation mittelfristig von den Folgen der Pandemie zu profitieren. Durch die Ausdünnung der Flugpläne der großen Airlines und die zunehmende Konzentration auf die großen Drehkreuze, könnten es z. B. für das ein oder anderen Unternehmen interessant werden, ein eigenes Flugzeug zu betreiben. Das ist ein Beispiel von vielen und wir sind gespannt, wie wir die kommenden Jahre gemeinsam mit unseren Kunden gestalten werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Über Dennis Heinen
Dennis Heinen ist seit rund neun Jahren bei Delvag und war bereits in verschiedenen Positionen tätig. Seit 2016 engagiert er sich als Aviation Underwriter und Referent im Bereich Luftfahrt auch im  General Aviation Geschäft. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Kasko-Franchise-Versicherung und der Beteiligung der Delvag an der Lufthansa Aviation Insurance Group. Zuvor war Dennis unter anderem im Contracts Risk Management der Delvag-Tochter Albatros tätig. Seine Begeisterung für die Luftfahrt lebt er nicht nur privat aus; vor seiner Zeit bei Delvag war er als Ramp Agent an einem großen deutschen Flughafen tätig. Seine Vorliebe für die Aviatik schlägt sich bei Dennis auch im Reisen nieder. Vor der Pandemie war er gerne auf der ganzen Welt unterwegs und freut sich daher, wenn es bald wieder losgehen kann.

 

Von Philipp Schmid
Unternehmenskommunikation Delvag
kommunikation@delvag.de